Unter Strategischen Gerichtsverfahren versteht man juristische Maßnahmen, die sozialen Wandel herbeiführen sollen. Dabei reicht die bezweckte Wirkung über den Einzelfall hinaus. Strategische Gerichtsverfahren spielen im Kampf gegen den Klimawandel eine wichtige Rolle, weil sie der Zivilgesellschaft ermöglichen, Regierungen und Unternehmen für ihre Untätigkeit in Sachen Klimaschutz zur Verantwortung zu ziehen.
Im Rahmen Strategischer Gerichtsverfahren ist es möglich, die Durchsetzung verschiedener Rechtsansprüche geltend zu machen, die etwa aus der Verletzung individueller Rechte, der Verletzung der verfassungsmäßigen Pflichten eines Staates oder unzureichendem Verbraucherschutz entstehen (White & Case LLP 2018).
Nicht nur die jeweiligen Rechtsansprüche machen den Ansatz der Strategischen Gerichtsverfahren für Geber:innen interessant, sondern auch die strategischen Ergebnisse, die so erreicht werden können, wie zum Beispiel:
- Rechtsgestaltung: Initiierung von Änderungen im bestehenden Klimarecht.
- Rechtsdurchsetzung: Rechtsverbindliche Klimavereinbarungen müssen durchgesetzt werden, um in der Praxis etwas zu bewirken.
- Erleichterung des Rechtszugangs: Menschen helfen, ihre Rechte zu verstehen, und juristische Fachkräfte im effektiven Klimaschutz schulen.
Wichtige Erkenntnisse
- Für Geber:innen, die den systemischen Wandel fördern wollen, aber Bottom-up-Förderstrategien vermeiden möchten, sind Strategische Gerichtsverfahren besonders attraktiv. Sie bieten die Möglichkeit, einen konkreten lokalen Fall zu unterstützen, der das Potenzial hat, einen ganzen Sektor zu verändern. Die bahnbrechende Klage gegen Royal Dutch Shell war zum Beispiel nicht nur vor Gericht erfolgreich (wobei entschieden wurde, dass Royal Dutch Shell seine Kohlenstoffemissionen um 45 Prozent reduzieren muss). Der Fall trug auch dazu bei, dass die Strategie der Strategischen Gerichtsverfahren auf breiterer Front als wachsendes Risiko für Unternehmen wahrgenommen wird, die in puncto Klimawandel untätig bleiben (Clifford Chance 2021).
- Der Erfolg Strategischer Gerichtsverfahren definiert sich nicht nur durch den Sieg (oder die Niederlage) in einem Gerichtsverfahren. Genauso wichtig ist die Rolle, die der jeweilige Fall bei der Gestaltung von Narrativen und der Schaffung von Öffentlichkeit für unterrepräsentierte Themen spielt. Dies illustriert ein Verfahren gegen die Ölbohrpraktiken Norwegens. Auch wenn der Fall vor dem obersten nationalen Gericht verloren wurde, löste er eine öffentliche Debatte aus, die sowohl zu Kritik von UN-Vertreter:innen als auch zu gesellschaftlicher Unterstützung für das geforderte Bohrverbot führte (Teulings and Pradhan 2021).
- In den letzten Jahren haben Strategische Gerichtsverfahren viel Aufmerksamkeit erfahren. Dies zeigt die Zahl der Fälle, die sich zwischen 2017 und 2020 fast verdoppelt hat (UNEP und Sabin Center for Climate Change Law 2020). Mehr Verfahren sind ein gutes Zeichen, denn es braucht Zeit, bis sich ihr systemisches Potenzial entfaltet. Um die größtmögliche Wirkung zu erzielen, empfiehlt es sich für Geber:innen, eine langfristige Perspektive einzunehmen und über den Ausgang einzelner Verfahren hinauszublicken.